Mein Übertritt zur SPD

Mein Übertritt von DIE LINKE zur SPD

 

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich meine politischen Vorhaben besser in der SPD und mit der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat umsetzen kann. Und ich denke, dass die Partei DIE LINKE eine schwache Organisation ist. Ich will nicht mehr. Denn ich will mehr.

 

Meine politischen Ziele sind die Verbesserung der Arbeits- und Produktionsbedingungen für Künstler*innen, Kulturschaffende und Kreative sowie eine Stärkung freier Träger im Sozial- und Kulturbereich. Mein Fokus liegt auf Sub-, Club- und Soziokultur und auf dem Stadtteil Neustadt (bis übers Hechtviertel hinaus). Ich möchte bezahlbare Mieten für Familien ermöglichen und die Stadtgesellschaft gegenüber weiteren erwartbaren Krisen von innen und außen resilienter machen. Und ich möchte eine vernünftige Integrations- und Migrationspolitik vorantreiben.

 

Für DIE LINKE, in der Loyalitäten das wichtigste Kriterium für Zusammenarbeit ist, wird mein Aus- und Übertritt besonders verletzend sein. Das tut mir leid und ist nicht meine Intention.

 

2012 bin ich nach vielen Gesprächen und reiflichem Überlegen in DIE LINKE eingetreten. Ich war über die Jahre im Stadtvorstand gewesen und habe es 2019 im zweiten Anlauf für die Neustadt in den Dresdner Stadtrat geschafft. Ich wollte, dass es in Deutschland eine wahrnehmbare Linke gibt, eine Irritation von links (außen). Das habe ich die letzten 10 Jahre unterstützt. Und ich war neugierig, wie eine Partei arbeitet, wie sie organisiert ist, wie sie gesellschaftliche Debatten ermöglicht und sich intern auf Positionen verständigt. Nicht zuletzt wollte ich natürlich wissen, wie öffentliche Gelder verteilt werden in Deutschland, Sachsen und in meiner Stadt. Denn das ist – neben dem Einsammeln von Geld (den Steuern) - die steuernde Macht der Politik.

 

Ich sehe inzwischen keine realistische Chance mehr, dass DIE LINKE die Rolle spielt, die ich in Deutschland für so wichtig halte, im Übrigen auch um die ostdeutschen Erfahrungen und Perspektiven einzubringen. Es ist demotivierend, wie das Kaninchen vor der Schlange warten zu müssen, wann es zu weiteren Selbstverletzungen und schließlich einer Spaltung kommen wird. Ich halte es für ausgemacht, dass Sahra Wagenknecht und ihre Getreuen in den nächsten Monaten Partei und Linksfraktion den Rücken kehren werden. Und selbst wenn es nicht zur Gründung einer Konkurrenzpartei kommen sollte, ist schon jetzt ein nachhaltiger Schaden entstanden. Außer Durchhalteparolen, ewig gleich und unfruchtbar verlaufenden Diskussionsformaten, sowie dem öffentlichen und internen Einsatz der „Geheimwaffe Gregor Gysi“, scheint die Gesamtpartei keine Antwort auf diese Destruktion zu haben. Wenn die mediale Hauptfigur der Partei aber Monat für Monat erzählt, dass sie ihrer Organisation schaden will und wird und es kein Mittel dagegen zu geben scheint, muss vom Organisationsversagen gesprochen werden. Die „Mosaik-Linke“ der Partei ist im Moment ein Scherbenhaufen. Das Gebaren dieser Partei ist das Gegenteil vom Ausdruck einer Schwarm-Intelligenz.

 

Und da spreche ich noch nicht einmal von den für mich untragbaren inhaltlichen Positionen der Marke Sahra Wagenknecht. Auch wenn sie mit manchem Recht hat, hat sie an entscheidenden Stellen strategisch unrecht. Die dem Nationalbolschewismus entlehnten Gedanken und die bewussten Provokationen der eigenen Partei waren für mich als Parteimitglied seit langem eine große Belastung.

 

Die am Rande der existentiellen Fragen stattfindenden internen Zerfleischungsprozesse der Partei DIE LINKE führen zu Irrelevanz in Politik und Öffentlichkeit. Kaum jemand spricht von den linken Minister*innen der Thüringer Landesregierung, kaum jemand von der Arbeit linker Dezernent*innen. Medial geht es immer ums Ganze, um die Medien-Figur Sahra Wagenknecht. Das wird unterstützt durch die viel zu blassen Auftritte von Parteispitzen in Bund und Freistaat. Die Bundestagsfraktion verfügt nur über eine Handvoll präsenter Köpfe mit entsprechenden Ideen und Inhalten. Im sächsischen Landtag sieht es noch düsterer aus. Das Mitarbeiten an diesem Weg der Irrelevanz in der Hoffnung, es würde in ferner Zukunft einen demokratischen Sozialismus geben, während die Menschen jetzt Verbesserungen ihrer Lebenssituation benötigen, ist für mich mental nicht mehr machbar. Da werde ich lieber Mitglied einer kleineren Stadtratsfraktion, die aber zu einer Gesamtpartei SPD gehört, von der aus Entscheidungen Einfluss auf das Leben der Menschen haben.

 

Für die Fraktion DIE LINKE im Dresdner Stadtrat ist es mir nicht bange. Die Fraktion unter der Führung von André Schollbach hat kaum einen Anteil an meiner Entscheidung. Dort wird gut gearbeitet und die Entscheidungen sind verbindlich. Ich bedanke mich für die vergangenen Jahre und wünsche alles Gute!

Aber auch in der Fraktion hatte ich nicht den Eindruck, am Sozialismus zu arbeiten. Die beiden linken Beigeordneten Annekatrin Klepsch und Dr. Kristin Kaufmann machen genauso wie Bodo Ramelow in Thüringen oder Katja Kipping und Klaus Lederer bis unlängst in Berlin, solide sozialdemokratische Politik - nicht mehr (vor allem nicht linker) aber eben auch nicht weniger. Aus dieser Erkenntnis über die Relevanz sozialistischer Ansätze bei der Gestaltung der Gesellschaft insgesamt kann ich meine Kraft auch zur Sozialdemokratie tragen und sie sach- und zielorientierter einsetzen.

 

Der Stadtverband der LINKEN in Dresden besteht aus respektablen Gruppen, wie dem Ältestenrat einerseits und sich bis aufs Messer bekämpfenden Cliquen andererseits. Dem Vorsitzenden Jens Matthis zolle ich für die Leistung, diesen Haufen überhaupt zusammenhalten zu können, jeden Respekt. Relativ bald habe ich in der Politik gelernt, wie viel dünner die Personaldecke einer Partei in der Stadt ist, als ich es mir als Zeitungsleser vorher vorstellen konnte. Insofern ist es auch kein Wunder, wenn immer wieder Menschen ohne jede Kompetenz an politischer Führung Verantwortung übertragen bekommen und jenseits von Wahlkämpfen kaum eine Sichtbarkeit entwickeln.

 

„Aber alle Deine Kritikpunkte gelten doch auch für die SPD, oder?“, könnte ich gefragt werden. Ja, vielleicht. Aber dort muss ich mich nicht in fast jede Richtung meiner politischen Haut erwehren, sondern verspreche mir, die bisher gemachten Erfahrungen in der partei- und kommunalpolitischen Arbeit konstruktiv zur Anwendung bringen zu können.

 

Bleibe ich ein Linker? Die Antwort ist ebenfalls ein Ja. Und das sage ich nicht nur, weil ich meinen marxschen Bart noch eine Weile behalten möchte. Ich bleibe dabei, dass Marx die gesellschaftlichen und vor allem die ökonomischen Mechanismen tauglich beschrieben hat.

 

Ich werde mit den Fraktionen und der Stadtverwaltung weiterhin einen konstruktiven Umgang pflegen und versuchen, zu ermöglichen und nicht zu verhindern. Ich werde meine Person in den Dienst der SPD stellen und hoffen, dass ein wichtiger Teil meiner Wähler*innen meine Argumente für den Wechsel nachvollziehen kann.

 

Wer mit mir ins Gespräch kommen will, ist dazu herzlich eingeladen.

 

Dresden, 01.06.2023